Mein Flug zum Rand des Weltraums | Space Affairs

Mein Flug zum Rand des Weltraums

Edge of Space Flight / MIG-25

Mein Flug zum Rand des Weltraums

Edge of Space Flight / MIG-25

von Robert Braunsteiner (A) April 2005

Article Header Nachdem mir nach der ärztlichen Voruntersuchung ein Druckanzug von zwei netten Russinnen angezogen wurde und ich mit einer Sauerstoffmaske in der Hand in das Cockpit einer MIG 25 geschnallt wurde kam es mir es nun zu Bewusstsein - nun begann es, das Abenteuer meines Lebens.

Es war ein wolkenloser strahlend schöner Tag, Anfang April in Russland, auf der Zuchowsky Airbase nahe Moskau. Die Luft war klar und kalt und die Landschaft noch ein wenig schneebedeckt. Ein untersetzter grobknochiger Mann von der Bodencrew bückte sich über mich im Cockpit und begann mit einer Ratsche meinen Gurt festzuzurren, bis ich in den Sitz gepresst wurde. Ein paar Schläuche noch angesteckt und nach einem freundlichen Wink ließ er die Cockpitverglasung nach unten fallen, die laut klickend einrastete.

Article ImageRobert erhält seinen G-Force Suit vor seinem MIG-25 Flug

Nun war es gewiss, es gab kein Zurück mehr. Die Turbinen wurden gestartet und begannen langsam auf Touren zu kommen. Der Überschalljet setzte sich nach kurzer Zeit in Bewegung und wir rollten über den Asphalt auf unsere Startposition. Die Startbahn war sehr breit, die Länge konnte ich nicht schätzen da diese bis hinter den Horizont reichte. Flache Tundra gleiches Land lag vor mir mit Schnee auf den Feldern, wohin ich blickte.

Angespannt wartete ich auf den Abflug. Das linke Triebwerk heulte auf bis die Bordanzeige 100% erreichte. Ebenso das Rechte. Die Maschine bebte unter der immensen Belastung, aber sie bewegte sich keinen Zentimeter, da das Fahrwerk noch blockiert war.

Ein Ruck durchfuhr durch den Jet und dann ging es los. Zuerst nur langsam, aber schon nach einer Sekunde spürte man den ungeheuren Schub die die zwei 18.000 PS starken Triebwerke entwickelten. Die Startbahn begann unter mir vorbeizulaufen. Es presste mich in den Sitz und meine Augen wanderten aufgeregt hin und her. Ich versuchte die Eindrücke zu verarbeiten, da hob das Flugzeug welches bereits mehrere hundert Stundenkilometer erreicht hatte, bereits ab. Die Anspannung blieb so wie die Beschleunigung, welche unglaublich war, und mich in den Sitz presste. Bereits im Steigflug durchbrachen wir die Schallmauer und das ohne Nachbrenner. Es war kein Knall oder sonst irgendeine Veränderung zu vernehmen, nur die Armaturen zeigten an, dass wir Mach 1 erreicht hatten.

Das Flugzeug stabilisierte sich nun auf einer Höhe von 10.000 Meter. Die Anspannung wich und machte der überwältigenden Aussicht Platz. Es war ein klarer Tag und so konnte man Flüsse, Seen, Städte, und Berge bis zum fernen Horizont sehen.

Nun steuerte der Pilot die Maschine in eine Schleife und begann den Steigflug. Der Radius wurde immer kleiner und der Nachbrenner zündete. Die MIG 25 durchfuhr abermals ein Ruck und es ging in einer Spirale steil bergauf. Die Fliehkräfte begannen wieder an mir zu zerren und nach einem Blick nach unten machte sich ein wenig Beklommenheit bemerkbar.

Der Jet schob ohne Rücksicht nach oben, 15.000 - 16.000 Meter. Mach 2 wurde überschritten und immer weiter schraubte sich der Überschalljet in den Himmel. Ab nun wurde es über mir immer dunkler.

Der Himmel verlor seine Farbe und wich in verschiedenen Smaragd- bis Blautönen der Dunkelheit.

Bei 20.000 Meter wurde er tiefschwarz und die Sonne strahlend grell. Ein Gefühl, das ein Astronaut bei einem Shuttleflug haben musste, durchströmte mich. Eine bebende Höllenmaschine unter meinem Sitz die sich in den dunklen Himmel bohrte, unter mir die bodenlose Tiefe, sowie die Erde an dessen Rändern man die Erdkrümmung deutlich erkennen konnte.

Article ImageRobert ist breit

Mein Blick fiel auf die Anzeige des Höhenmessers, der sich gnadenlos drehte und nun bereits 22.000 Meter anzeigte. Aber es gab kein halten für die MIG 25. Der Pilot drehte den Jet gerade und mit letzter Kraft stieß das Flugzeug steil, fast senkrecht in den beinahe luftleeren Raum vor bis über 24.000 Meter.

Plötzlich waren die Triebwerksgeräusche verschwunden. Es war als hätten wir die Erde verlassen und wären in den luftleeren Raum vorgedrungen. Ich kontrollierte die Armatur der Triebwerksleistung aber diese zeigten immer noch 100 Prozent an. Bis heute weiß ich nicht ob ich nur ein Druckproblem mit den Ohren hatte oder ob in dieser Höhe bereits so wenig Luft befand das der Schall leiser wurde, aber das Gefühl war überwältigend.

Während die Maschine steil in der Luft stand und von ihren 3.000 km/h abbremste, wurde ich immer leichter bis ich schwerelos war. Über mir begann der tiefschwarze Himmel plötzlich zu funkeln. Tausende von Sternen blinkten vor mir auf. Obwohl ich oft von der Erde aus auf die Sterne blickte, so eine Sicht hatte ich noch nie. Vorsichtig tastete ich mich mit meiner Hand zu dem Blendschutz meines Helmes und öffnete ihn vorsichtig. Ich wollte das Weltall mit meinen eigenen Augen sehen. Die Eindrücke übermannten mich und für einen kurzen Augenblick stand die Zeit still.

Hinter mir war die Sonne und ich blickte auch in ihre Richtung. Vorsichtshalber schloss ich wieder mein Visier. Es erwartet mich nicht so eine riesige gelbe Scheibe, die flimmerte wie auf der Erde, sondern ich blickte auf einen Stern. Grell weiß und eher scharf umgrenzt.

Seit diesen Sekunden hat sich meine Weltanschauung grundlegend verändert. Über mir dieser grelle weiße Stern und unter mir die blaue runde Erde und die Erdatmosphäre, die wie ein Smaragdband diese umhüllte.

Gefühle die ähnlich sein müssten, wie die eines Besatzungsmitgliedes der ISS überkamen mich. Die Leere des Alls, die Kleinheit des eigenen Daseins aber auch der Unterschied zwischen Licht und Schatten sind anders als alles auf der Erde mir bis dahin Bekannte.

Nun stand der Jet beinahe still und die Scheiben des Cockpits begannen sich schlagartig zu beschlagen. In dieser Höhe herrschten mehr als minus 50 Grad und ohne Reibungshitze eiste das Glas sofort ein. Von nun an ging es nur bergab. Die Nase senkte sich langsam nach unten während die MIG 25 wie ein Stein nach unten fiel.

Article ImageRobert nach seinem MIG-25 "Edge of Space" Flug in 25 km Flughöhe

Bodenlose Übelkeit machte sich nun in mir breit. Vier, fünftausend Meter fiel der Jet und ich mit ihm. In Spiralen schraubte er sich nach unten. Es war wie 15 Minuten mit einer Achterbahn rasend nach unten oder noch viel schlimmer. Kurze Zeit später bekam ich die Bremskräfte zu spüren. Es waren die größten G Kräfte die auf meinem Körper bei diesem Abenteuer auf mich wirkten.

Zuvor dachte ich immer an die Beschleunigungskräfte aber nun kämpfte ich gegen die Schwere meines Kopfes. Bei 4G hatte ich Mühe den Kopf gerade zu halten welcher immer mehr Gewicht zu haben schien. Nur mit Anstrengung konnte ich aus dem Cockpit sehen und auch nun kam ich auf meine Kosten. Bei dem Flug nach unten fühlte ich mich wie ein Astronaut beim Wiedereintritt.

Das Beben der Maschine, das Rütteln, die G Kräfte die an einem Körper zerrten, und die Hilflosigkeit den Naturgesetzen ausgeliefert zu sein. Nun war ich froh nur in einer MIG 25 zu sitzen und fühlte tiefen Respekt gegenüber allen Weltraumfahrern, die nie sicher sein können, ob sie den Wiedereintritt überstehen. Auf etwa 4.000 Meter stabilisierte der Pilot den Jet und wir gingen nun von "The Edge of Space " zu einem normalen Flug über.

Wir flogen ein paar Schleifen und dann durfte ich selbst den Steuerknüppel übernehmen. Der Pilot sagte nur mit einem russischen Akzent "Robert it's your machine now, try it". Zaghaft nahm ich den Steuerknüppel in die Hand und wirklich, der Überschalljet reagierte plötzlich auf mein Kommando. Ein wenig nach oben, ein wenig nach unten und links und rechts ein paar Zentimeter rollen. Obwohl ich mich zuvor mit Flugsimulatoren bereits mit der MIG 25 vertraut gemacht hatte, kam ich mir vor wie ein 14-jähriger Junge der zum ersten Mal Auto fährt. Kurze Zeit später übergab ich das Kommando wieder dem Piloten und mein Anzug war nun restlos durchgeschwitzt.

Article ImageRobert mit Andreas P. Bergweiler und Testpilot Leonid Lobas nach seinem MIG-25 "Edge of Space" Flug

Es folgte noch ein Tiefflug über die Base mit einem Flügelwackeln. Ich war froh das mir der Pilot eine Rolle ersparte da mein Magen sich gerade beruhigt hatte. Es folgte noch eine enge Kurve und dann setzten wir bereits zur Landung an. Diese war butterweich und ich spürte kaum als wir den Boden berührten.

Minuten später als ich aus dem Cockpit stieg hatte ich weiche Knie. Die Eindrücke überholten mich. Erst als mir der Pilot die Hand schüttelte und mir alle zu dem erfolgreich bestandenen Abenteuer gratulierten fand ich mich wieder.

Gesamt gesehen war es für mich ein "Weltraumtrip Naherlebnis", bei dem ich Start, Flug und Landung eines Spaceshuttles so ähnlich wie selten jemand zuvor erleben durfte.

Einen besonderen Dank noch meinem Betreuer Andreas Bergweiler, den ich bei dieser Reise kennen und schätzen lernte, und der mir dieses Erlebnis erst ermöglichte.

Text © Copyright Robert Braunsteiner


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Robert, ein selbstständiger Unternehmer aus Wien, erfüllte sich im April 2005 als einer der letzten 'Backseater' der damaligen Möglichkeit auf der Zuchowsky-Airbase zu fliegen seinen Wunsch, von dem viele träumen:

An Bord einer MIG-25 "Foxbat C" jagte er mit Mach 3 zum "Rand des Universums".

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